Runde Tische im FVM: eine Bilanz

Es ist ein Abschluss, in dem deutlich mehr Anfang als Ende steckt. Daran lässt Bernd Neuendorf keinen Zweifel aufkommen. In allen neun Kreisen des Fußball-Verbandes Mittelrhein hat der FVM-Präsident im Januar und Februar an Runden Tischen einen Austausch zum Thema Gewaltprävention im Amateurfußball initiiert und moderiert.

Runde Tische im FVM: eine Bilanz

Die Ergebnisse der intensiven Diskussionen mit Schieds- und Sportrichtern, Vereinsvertretern sowie Kreismitarbeitern und Vertretern des FVM werden nun im Arbeitskreis Gewaltprävention analysiert, um letztlich zu konkreten Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zu kommen.

„Wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Daher gehen wir das Thema direkt und systematisch an“, sagt Neuendorf. Gewalt und schlechtes Benehmen auf und neben dem Fußballplatz dürfen nach seiner Auffassung nicht tatenlos hingenommen oder mit dem Verweis auf gesellschaftliche Probleme beiseitegeschoben werden.

Daher hat der FVM, dem er seit Sommer des vergangenen Jahres als Präsident vorsteht, bereits im Dezember 2019 ein Maßnahmenpaket zur Gewaltprävention beschlossen. Ein wesentlicher Bestandteil waren die Runden Tische. Die Idee, Betroffene zu Beteiligten zu machen und sie aktiv in die Entwicklung von weiteren Maßnahmen einzubinden, stieß auf große Resonanz. So fanden alle Akteure zusammen, deren Leidenschaft der Fußball ist. Unabhängig davon, ob sie den Sport aktiv betreiben, lehren oder als Organisatoren möglich machen. „Nur gemeinsam lassen sich sinnvolle Strategien und Lösungen gegen Hass und Gewalt auf unseren Fußballplätzen finden“, betont Neuendorf. Deshalb sei es so wichtig, alle am Fußball beteiligten Gruppen zusammenzubringen und in den direkten Austausch zu gehen. Alle sollen von den unterschiedlichen Perspektiven auf den Fußball profitieren, Standpunkte und Schwierigkeiten der einzelnen Gruppen verstehen und letztlich das breite Know-how nutzen, um Probleme anzugehen.

Dass bei diesem Austausch niemand auf der Anklagebank saß und niemand den anderen belehrte, stieß auf ungeteilt positives Echo. „Jeder hat gute Ideen für Maßnahmen gegen Gewalt. Wir können die unterschiedlichen Sichtweisen aber nur verstehen, wenn wir uns zusammensetzen und miteinander reden“, sagt Doris Mager, Vorsitzende des Fußballkreises Euskirchen. Die Runden Tische seien daher eine gute Sache und ein starkes Zeichen dafür gewesen, dass man zusammengehöre. „Uns allen geht es schließlich um den Fußball. Egal, ob wir Spieler, Trainer oder Verantwortliche in Vereinen oder Kreisen sind“, sagt Mager. Es sei grundsätzlich gut, sich dem Thema Gewalt zu stellen.

Michael Lorse, Schiedsrichter-Lehrwart im Kreis Euskirchen, nahm wie auch Mager an der Zusammenkunft im Vereinsheim des SV Schwarz-Weiß Stotzheim teil. Er zog ein ähnliches Fazit: „Es war gut, gemeinsam über die Probleme zu reden. Bei den gewohnten Zusammenkünften in Vereinen oder Gremien bleiben die Vertreter einer bestimmten Gruppe meistens unter sich. Jetzt wurde aber über die Grenzen von Gremien und Funktionen hinweg miteinander gesprochen.“ Heinz Feind, Vorsitzender des Fußballkreises Rhein-Erft, hat am Runden Tisch in Kerpen-Manheim teilgenommen. Auch er spricht von einem vollen Erfolg: „Die Veranstaltung gibt uns viele wichtige Anregungen für die gemeinsame Arbeit für mehr Respekt und Fair Play auf unseren Sportplätzen. Insbesondere die Form des direkten Austausches und die aktive Beteiligung aller Teilnehmer stimmt mich positiv.“

Dieser Optimismus ist zweifellos auch nötig, um etwas zu bewegen. Denn das Problem, dem man sich an den Runden Tischen stellte, ist äußerst vielfältig. Im Kreise der Teilnehmer gibt es einige, die schon mit verbaler oder körperlicher Gewalt konfrontiert wurden. Das Spektrum ist groß. Mancher erinnert sich an Handgreiflichkeiten, die erst herbei gerufene Polizisten beenden konnten, andere berichten von Schubsereien und Beschimpfungen. Insgesamt, so der Eindruck vieler Teilnehmer der neun Runden Tische, träten allerdings vermehrt Schwierigkeiten auf. Dass einigen der Begriff „normal“ im Kontext mit Pöbeleien und unfairem Verhalten über die Lippen kommt, zeigt die Tiefe des Problems. „Verbale Gewalt ist bereits die erste Eskalationsstufe“, stellt FVM-Vizepräsidentin Johanna Sandvoß klar. Auch sie beteiligte sich an der Suche nach den Ursachen, die bei allen Zusammenkünften zunächst im Fokus stand.

Gregor Teuber, der sich am Kreissportgericht Euskirchen engagiert, sieht in der größeren Athletik und Geschwindigkeit des Spiels einen Grund für die häufiger überkochenden Emotionen. „Je enger und schneller es wird, desto emotionaler geht es auf dem Platz zu“, sagt er. Eine veränderte Erziehung der Kinder, die zu fehlendem Respekt gegenüber Mitmenschen und Institutionen führe, wurde immer wieder genannt. Auch in interkulturellen Ressentiments und sprachlichen Hürden sehen viele eine Ursache für Auseinandersetzungen und mangelhafte Kommunikation. Dass die Profis in Bundesliga und Champions League nicht immer zum Vorbild taugen, wurde von den Teilnehmern ausdrücklich betont. Wenn Jugendliche immer wieder am Fernseher verfolgten, wie die Spieler der besten Mannschaften Schiedsrichter bedrängten oder sich nach harmlosen Foulspielen theatralisch über den Rasen wälzten, gelte das als Normalität und finde Nachahmung bei Nachwuchs- und Amateurspielen, so der Tenor.

Noch einflussreichere Vorbilder seien jedoch Trainer, Zuschauer und Eltern. Da war man sich an den Runden Tischen einig. Diese Einschätzung bot zugleich eine perfekte Überleitung zum zweiten Teil der Treffen am Runden Tisch. Nun galt es, mögliche Maßnahmen zur Gewaltprävention vorzuschlagen und zu diskutieren. Sandvoß riet den Vereinen dazu, sich auf ein Leitbild zu verständigen und Gewalt und schlechtes Benehmen offen anzusprechen und gegebenfalls zu sanktionieren. Aber auch jeder Einzelne sei aufgerufen, sich seiner Vorbildfunktion bewusst zu werden und Courage zu beweisen, wenn er mit unschönen Geschehnissen konfrontiert werde. Eine gute Kommunikation sei wichtig und es gebe durchaus Möglichkeiten, auch die Eltern kleiner Kicker in entsprechende Maßnahmen einzubinden.    

Einen anderen Ansatz sehen viele darin, Trainer und Schiedsrichter regelmäßig weiterzubilden. Gerade in der Nachwuchsarbeit sei ein gewisses pädagogisches Rüstzeug gefragt. Jugendteams sollten eigentlich die besten Trainer haben, machte Torsten Schmitz vom FAV Bad Münstereifel deutlich.

Schiedsrichter sollten psychologisch geschult werden und in Sachen Regelwerk stets auf aktuellem Stand sein, um schwierige Situationen souverän meistern zu können. Dass Fehler dennoch nie auszuschließen seien, betonte Schiedsrichter Achim Schell. Er warb für Nachsicht, schließlich agierten auch die Spieler der Kreisligen nicht auf Profiniveau. Über eine Verschärfung von Sanktionen für Fehlverhalten und deren stringente Umsetzung wurde ebenfalls eifrig diskutiert.

FVM-Präsident Neuendorf rief dazu auf, ein positives Klima auf den Sportplätzen zu schaffen, in Gegnern und Schiedsrichtern nicht Rivalen und Spielverderber zu sehen, sondern Akteure, die den sportlichen Wettstreit erst möglich machen. Wer die Kabine für die gegnerische Mannschaft und den Unparteiischen ordentlich vorbereite und einen Ansprechpartner stelle, schaffe eine entspannte Atmosphäre, so der 58-Jährige. Einfache Gesten seien oftmals von großer Wirkung. Reinhard Deußen nahm diese Anregungen mit in seine Arbeit als Jugendleiter des 1. FC Heinsberg-Lieck. „Ich habe von sehr interessanten Ansätzen erfahren, die man ohne großen Aufwand auch im eigenen Verein umsetzen kann“, sagte er. Auch für ihn war der Abschluss des Runden Tisches also der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Respekt und Fair Play auf den Fußballplätzen am Mittelrhein.

Zahlreiche Maßnahmen für ein faires Miteinander

Bereits im Vorfeld der Runden Tische hat das Präsidium des Fußball-Verbandes Mittelrhein die bestehenden Initiativen um ein umfangreiches Maßnahmenpaket gegen Gewalt auf Fußballplätzen ergänzt. Damit gibt es ein großes Spektrum von Instrumenten, die ein faires Miteinander fördern sollen.

In den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen des FVM und seinen Kreisen ist das Thema „Gewaltprävention“ von nun an verpflichtender Bestandteil. Davon profitieren alle Lehrgangsteilnehmer, also Trainer, Schiedsrichter und Vereinsmitarbeiter. Schiedsrichter werden bei künftigen Schulungen von qualifizierten Kräften intensiv über Deeskalationsstrategien informiert. Unparteiischen, die Opfer von Gewalt geworden sind, wird eine professionelle Nachbetreuung angeboten. Bei Gewalt gegenüber Schiedsrichtern wird sich der FVM künftig konsequent an entsprechenden sportgerichtlichen Verfahren beteiligen, um so in den Verhandlungen für die Interessen der Schiedsrichter eintreten zu können. Den Fußballkreisen wird zu einem entsprechenden Vorgehen geraten.

Der FVM beteiligt sich gemeinsam mit dem Fußballverband Niederrhein und dem Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen an einer neuen zentralen Anlaufstelle für Gewaltvorfälle beim Westdeutschen Fußballverband (WDFV). Die Einrichtung mit Sitz in Duisburg hat zum Jahresbeginn ihre Arbeit aufgenommen. Ziel ist es, Meldungen über Vorkommnisse zentral zu erhalten und eine einheitliche in- und externe Reaktion aller drei Landesverbände bei Gewaltvorfällen zu gewährleisten. Die Anlaufstelle ist per Mail über anlaufstelle@wdfv.de erreichbar.

Zum Rückrundenstart wurden alle Vereine an ihre Verpflichtung erinnert, an Spieltagen deutlich erkennbare Ordner zu stellen. Diese haben die Aufgabe, für die Sicherheit von Spielern, Zuschauern und Unparteiischen zu sorgen und respektloses oder gefährliches Verhalten zu unterbinden.  
Die Rituale-Kampagne betont die Bedeutung einer höflichen Begrüßung von Gegnern und Schiedsrichtern mit Shakehands und einer respektvolle Verabschiedung. Kleine Gesten können durchaus große Wirkung und Vorbildcharakter haben.

Mehr Infos: www.fvm.de  (Rubrik: Engagement > Rituale im FVM) Unter dem Titel „Fair Play des Monats“ wird dazu aufgerufen, besonders faire Gesten zu melden, damit diese gewürdigt und anderen vorgestellt werden können. Vorschläge können unter fairplay@fvm.de eingesendet werden.

Begleitend zu den Maßnahmen hat der FVM eine Kampagne gestartet, die unter dem Hashtag #gemeinsamfussball für mehr Respekt und Miteinander auf dem Fußballplatz wirbt und dazu aufruft, sich zu beteiligen und eigene Ideen darzustellen. Die Kampagne ist mit Rückrundenstart erneut in den sozialen Medien angelaufen. Posts, die unter dem Hashtag #gemeinsamfussball veröffentlicht werden, teilt der FVM auf seinen Profilen.

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